Ein unbeliebter Kanzler, ein unklarer Koalitionsvertrag, Krach über die AfD. Vielleicht steht die neue Regierung nicht auf Beton, sondern auf Papier.
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Schwarz-Rot |
Schwarz-Rot will ein Gegenmodell zum Rechtspopulismus sein. Das ist Raison d’Être dieser Regierung. Die rechte Proteststimmung soll mit erprobten politischen Tugenden eingehegt werden: Mitte und Maß, Kompromisse und Stabilität – plus in der Flüchtlingspolitik ganz viel Anpassung an rechte Antimigrationsstimmung. Das hat rohe, bösartige Züge, wie die bodenlose Kritik der Union an der lange vereinbarten Aufnahme afghanischer Flüchtlinge zeigt. Aber es ist kein Bruch mit dem bundesdeutschen Konsensmodell. Schon in den frühen 90er Jahren einigten sich SPD und Union auf den Asylkompromiss, um fremde Habenichtse abzuschrecken.
Schwarz-Rot verkörpert, in Schwundstufe, die bundesdeutsche Kompromisskultur. Der Koalitionsvertrag steht in der Tradition des moderaten Ausgleichs der Interessen – hier harte Abschreckung von Flüchtlingen, dort Milliarden für Investitionen und keine Rentenkürzung. Nach dem Dauerzoff in der Ampel erscheint lautloses Regieren als ein Mittel, um die wütende Wählerschaft zu beruhigen.
Markus Söder hat Schwarz-Rot sogar zur „letzten Patrone der Demokratie“ erklärt. Daran verstört nicht nur die kokette Apokalyptik. Man nimmt verblüfft zur Kenntnis, dass es sich bei unserer Demokratie um eine nachladbare Waffe handelt. Richtig aber ist: Die Mitte war in der Bundesrepublik immer der magische Ort, der Sicherheit versprach. Funktioniert das noch?
Der schwarz-rote Start weckt Zweifel. Kaum war der Koalitionsvertrag besiegelt, begann der Streit, worauf man sich bei Steuersenkungen, Mütterrente, Mindestlohn eigentlich geeinigt hatte. Dies erinnert ungut an den Ampelstreit. Es ist auch kein bloß handwerklicher Defekt, sondern ein Zeichen, wie weit SPD und Union, die gebannt auf die AfD-Umfragezahlen starrt, auseinanderliegen. Schwarz-Rot bräuchte etwas von der langweiligen, sachlichen, beruhigenden Art, mit der Angela Merkel Probleme pragmatisch im Hintergrund klein zu raspeln verstand. Das fehlt bis jetzt.
taz